Unsere Zahl des Monats zu Silvester 2022: Wer baut denn noch – im Jahr 2023?

30.12.2022

Die jüngste Entwicklung der Baugenehmigungen hat in der Baubranche sowohl für Aufregung gesorgt als auch die Vorfreude auf Weihnachten und den Jahreswechsel getrübt. Vermehrt kommt die Frage auf, ob es sich Haushalte überhaupt noch leisten können zu bauen.

Dabei wirkte die Entwicklung der Baunachfrage bis Mitte des Jahres noch stabil. Trotz steigender Kosten für Baustoffe hielt das Nachfragewachstum in den vergangenen Jahren an. Die Preise für bspw. Stahl, Beton, Keramik, Teer und Bitumen sind zuletzt stark gestiegen. Zum einen geschah dies aufgrund von Materialengpässen – auch ausgelöst durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine – und zum anderen ist die anhaltend hohe Baunachfrage trotz der knappen Baumaterialien für einen weiteren Preisanstieg und noch knappere Materialien verantwortlich.

Diese Preisanstiege haben die private Nachfrage kaum brechen können und die Materialengpässe führten zu Verzögerungen auf den Baustellen. Jedoch stiegen infolge der Leitzinsanhebungen der EZB vor allem die Zinsen für Wohnbaukredite von 1,3 % im Januar 2022 auf 3,25 % im Oktober 2022. Gleichzeitig sind die realen verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte aufgrund der hohen Inflation gesunken. Der Anstieg der Zinsen, gepaart mit dem Kaufkraftverlust, hat letztendlich zum merkbaren Rückgang der Nachfrage nach Neubauten geführt. Damit einhergehend sind auch die Wohnungsbaukredite und die Baugenehmigungen für Wohnungen deutlich gesunken.

Die Abbildung lässt den Rückgang der Volumina an Wohnungsbaukrediten an private Haushalte seit Januar erkennen, die um gut 40 % zurückgegangen sind. Die genehmigte Fläche an Neubauwohnungen hingegen ist im Vergleich zu Januar um weniger als 20 % zurückgegangen.

Der Rückgang der genehmigten, neu zu errichtenden Wohnflächen spiegelt sich zum einen in einem allgemeinen Rückgang in der Anzahl der Wohnungsbauten wider, aber auch in einer leichten Verkleinerung der Wohnfläche für Gebäude mit drei oder mehr Wohnungen. Die durchschnittliche Größe von Gebäuden mit ein bis zwei Wohnungen ist hingegen auf das Vorpandemieniveau angestiegen, was in Verbindung mit den gesunkenen Kreditvolumen für Wohnungsbauten Rückschlüsse auf eine wohlhabende und weniger auf Kredite angewiesene Gruppe an Bauherr:innen schließen lässt. Daher ist anzunehmen, dass kleinere, kreditfinanzierte Wohngebäude mit ein und zwei Wohnungen von privaten Haushalten preis- und zinssensitiver sind als die die größeren Wohngebäude dieser Gruppe (vgl. StBA 2022).

Neben einem weiterhin sehr aktiven Industrie- und Gewerbebau scheint der Wohnungsbau auf die letzten Monate blickend an Boden zu verlieren. Eine längerfristige Betrachtung hingegen gibt weniger Anlass zur Sorge, da die Nachfrage weiterhin auf einem hohen Niveau liegt und es auch in der Vergangenheit zu temporären Nachfragerückgängen gekommen ist.

Die kreditfinanzierten Bautätigkeiten sind aktuell aufgrund der Doppelbelastung durch Preise und Zinsen in Verbindung mit unsicheren verfügbaren Einkommen zurückgegangen. Wohlhabende Haushalte bauen aber weiterhin, was bei der gestiegenen durchschnittlichen genehmigten Wohnfläche trotz hoher Baukosten angenommen werden kann. Es ist jedoch anzunehmen, dass mit den ersten Lohnabschlüssen wieder etwas mehr Sicherheit in die verfügbaren Haushaltseinkommen zurückkehrt und sich kreditfinanzierte Bautätigkeiten etwas erholen.

Daher sollte die jüngste Entwicklung zwar genau beobachtet werden, doch gibt diese noch keinen Anlass, zukünftige Jahre zu fürchten – vor allem da der zugrundeliegende Nachfragedruck durch Wohnungsknappheit in Ballungsräumen und der vermehrte Zuzug in diese ungebrochen scheint. Zusätzlich bestehen für die Baubranche durch die Konjunkturpakete und Mehrwertsteuersenkung auch noch ein weiterhin gestiegener Bauüberhang sowie volle Auftragsbücher, die für kurzfristige Nachfrageschwankungen ausreichend Puffer geben sollten.

Quellen: Bundesbank (2022a): Neugeschäftsvolumina Banken DE; Bundesbank (2022b): Wohnungsbaukredite an private Haushalte insgesamt. BBK01.SUD231; Statistisches Bundesamt (StBA) (2022): Baugenehmigungen. 31111-0002

Weitere Beiträge der Serie „Zahl des Monats“ finden Sie hier.

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